Dass es an einem 23. Dezember nicht gerade warm war, ist keine Überraschung. Und doch hatte dieser Wintertag im Jahr 1970 etwas Besonderes an sich. Das lag vor allem an Dieter Burdenski. Der damalige Torwart von Schalke 04 konnte sich auch nach 50 Jahren genau an diesen Tag erinnern. „Der Boden war gefroren, Schnee lag auf dem Rasen, ich hielt zwei Elfmeter“, sagte er gegenüber „Sportbuzzer“ zum 50-jährigen Jubiläum vor vier Jahren.
Mittlerweile wäre es nur noch eine Notiz: Ein 20-jähriger Torhüter hält in einem Elfmeterschießen in der 1. Runde des DFB-Pokals zweimal. Ein Einspieler in der Sportschau und schon nach einigen Wochen wäre es vergessen. Eine schöne Fußnote, die sich Fans erzählen können, wenn sie auf die Saison zurückblicken. Aber diese beiden Paraden von Dieter Burdenski gegen den VfL Wolfsburg werden die Zeit überdauern. Denn der heute 74-Jährige war der erste Torhüter, dem es in einem offiziellen Elfmeterschießen gelang, einen Schuss zu halten.
Zuvor waren Unentschieden in Pokal-Wettbewerben durch einen Münzwurf entschieden worden. In die Fußball-Geschichte eingegangen sind auch diese. Etwa als der 1. FC Köln 1964/65 im Viertelfinale des Europapokals der Landesmeister gegen den FC Liverpool ausschied – allerdings erst nach dem zweiten Wurf. Der erste endete mit einer Münze, die senkrecht im Rasen steckengeblieben war.
Erst 1970 wurde das Elfmeterschießen als Entscheidungs-Möglichkeit eingeführt. „Das war eine Errungenschaft, sportlicher zu werden“, sagte auch Burdenski. „Es ist keine ideale Lösung, aber gegenüber dem Münzwurf logischerweise die sportliche faire Lösung. Es muss ja irgendwie eine Entscheidung getroffen werden und dann ist es besser, wenn der sportliche Ansatz gewählt wird.“
Seit über 50 Jahren gehört es bei vielen Mannschaften dazu, im Training sich auch auf ein mögliches Elfmeterschießen vorzubereiten. Davon hält Burdenski wenig. „Man kann das nicht trainieren – weder als Torwart, noch als Spieler. Wer das übt, hat nicht viel Ahnung von Fußball. In einem Spiel, wenn es um viel geht, habe ich doch eine andere Situation als im Training. Das entscheidende bei einem Elfmeter ist, dass ein Schütze mehr Druck hat, weil jeder erwartet, dass er den versenkt.“
"Mein Stern ging auf"
Mit dieser Last auf den Schultern gingen am 23. Dezember 1970 auch die beiden Wolfsburger Wolf-Rüdiger Krause und Wolfgang Simon den Weg von der Mittellinie Richtung Elfmeterpunkt. Gar nicht so einfach. Nicht nur direkt hinter dem Tor hatten sich die Schalke-Fans aufgestellt. Mit jedem Elfmeter kamen mehr und mehr Zuschauer von den Rängen der Glückauf-Kampfbahn und bildeten einen Kreis um Schützen und Torwart herum, der sich immer enger zog. Burdenski hielt zweimal, einmal links unten, einmal rechts unten. Riesiger Jubel. Schalke gewann mit 3:1 im Elfmeterschießen, da zwei weitere Wolfsburger noch verschossen.
„Ich war ein junger Torwart und musste versuchen, mich positiv darzustellen, um meine Karriere zu starten. Dieses Spiel war dafür natürlich sehr förderlich. Ich wusste, dass ich nur gewinnen kann als Keeper. In dem Jahr habe ich das erste Bundesliga-Spiel gemacht – mein Stern ging auf. So habe ich das Interesse auf mich gezogen“, sagt Burdenski.
Legende bei Werder Bremen
Zu viel mehr Spielen bei Schalke 04 kam Burdenski nicht mehr. Er war in den Bundesligaskandal 1971 verwickelt, wurde gesperrt. Zur Legende wurde er bei Werder Bremen, für die er ab 1972 444-mal auflief und in seiner letzten Saison Deutscher Meister 1987/88 wurde. Allerdings als Reservist hinter Oliver Reck. Er gehört längst zu den Ehrenspielführern des Vereins.
Viele Elfmeter hat er nach diesem Winterabend noch gehalten, auch gegen Franz Beckenbauer, erinnerte sich Burdenski. „Im Elfmeterschießen gewinnt selten die bessere Mannschaft. Es gewinnen die, die die besseren Nerven haben“, erklärte er über die Erfolgsgeschichte des Elfmeterschießens. Und er selbst hat auch seinen Teil dazu beigetragen.
Im Alter von 73 Jahren ist Dieter Burdenski am 9. Oktober 2024 verstorben.